Pünktlich zum 1. Januar des neuen Jahres trat die 6. Auflage der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL 2015) in Kraft und ersetzt damit die 5. Auflage der KTL aus dem Jahr 2007. Während einer einjährigen Übergangsfrist sind beide KTL Versionen zugelassen.
Seit dem Jahr 1997 verwendet die Deutsche Rentenversicherung (DRV) die KTL als Instrumentarium um therapeutische Prozesse in der medizinischen Reha zu dokumentieren und zu bewerten [1]. Die KTL gilt sowohl in der ambulanten, wie in der stationären Rehabilitation und ist ebenso bei Erwachsenen, wie auch bei Kindern und Jugendlichen anzuwenden [2].

Für die Reha-Therapiestandards der DRV spielt die KTL z. B. eine wichtige Rolle. Die Therapiestandards enthalten so genannte evidenzbasierte Therapiemodule (ETM). Diese wiederum umfassen zumeist eine ganze Reihe von KTL-Leistungseinheiten. In den Therapiestandards zur koronaren Herzkrankheit ist z. B. das ETM „Bewegungstherapie: Ausdauertraining“ vorgesehen. Dieses Modul umfasst KTL Einheiten wie das Ausdauertraining mit Monitoring in der Gruppe oder ausdauerorientierte Sport- und Bewegungstherapie einzeln (vgl. [3]). Mit Hilfe der KTL lässt sich dann auch klären, ob evidenzbasierte Therapiemodule durchgeführt werden, oder ob das Therapiegeschehen abweicht. Brüggemann und Kollegen haben in diesem Zusammenhang bei Rückenschmerzpatienten eine deutliche Varianz in der Leistungsdokumentation von Rehabilitationseinrichtungen festgestellt [4].

Anders als bei den Therapiestandards ist Evidenz aber kein Kriterium für die Aufnahme von Leistungen in die KTL, sondern diese verfolgt das Ziel, die therapeutischen Prozesse innerhalb der jeweiligen Institution der Leistungserbringer möglichst vollständig abzubilden und dadurch auch Einrichtungsvergleiche zur Prozessqualität zu ermöglichen. Ebenfalls mit Hilfe der KTL wurde von Brüggemann und Sewöster [5] die Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation insgesamt unter die Lupe genommen. Über verschiedene Indikationen hinweg ließen sich extrahieren: Die Dauer bewegungstherapeutischer Leistungen, die relative Verteilung von Sport- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Rekreationstherapie und das Verhältnis von Einzel- zu Gruppentherapien. Die Bewegungstherapie stellte über alle Indikationen hinweg mit im Schnitt 9,4 Stunden pro Woche die umfassendste therapeutische Leistung dar. Neueste Zahlen werden auf dem nächsten rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Augsburg (16.-18.3.15) vorgestellt.

Seit jeher strebt die Deutsche Rentenversicherung Bund an, die KTL laufend weiterzuentwickeln und dies auch im Dialog mit den Reha-Einrichtungen zu tun (u.a. [6]). Nun ist es also im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts zu einer erneuten Überarbeitung gekommen [7]. Bei der Ausarbeitung der aktuellen KTL-Auflage waren vom DVGS, wie bereits bei vorherigen Auflagen, sowohl Personen des geschäftsführenden Vorstands wie auch Wissenschaftler und Kliniker in den entsprechenden Expertengremien vertreten. Änderungen betreffen z. B. die Spezifizierung der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen sowie die Verbesserung der Kodierung von neuen Therapiekonzepten (z. B. MBOR). Hier wurde u.a. der Argumentation des DVGS Rechnung getragen: Aufgrund der Kern-Inhaltsbausteine sind Sportwissenschaftler für die Durchführung bewegungsbezogener Therapien prädestiniert, denen die Anforderungen des Arbeitsplatzes zugrunde liegen. Insofern wurden diese therapeutischen Leistungen dem Kapitel A (Sport- u. Bewegungstherapie) zugeordnet (A570, A602, A654). Ein weiteres Anliegen der KTL-Aktualisierung bestand in der Berücksichtigung der Bologna-Reform bei den beruflichen Voraussetzungen [7]. In Bezug auf die akademischen Abschlüsse erfolgt die Festlegung, dass der absolvierte Studiengang „eindeutig klinisch bzw. therapeutisch“ ausgerichtet sein muss. Aus Sicht des DVGS wäre darüber hinaus zumindest die Formulierung wünschenswert gewesen, dass diese Inhalte „ in nicht unerheblichem Umfang“ Bestandteil sein sollten. Bestenfalls wäre sogar eine Spezifizierung denkbar gewesen, dass der Studiengang mindestens 10 ECTS-Punkte Praxisanteile sowie 20 ECTS-Punkte sport- und bewegungswissenschaftliche Theorie aufweisen muss. Für die Eignungsbeurteilung ist ein weiteres wichtiges Kriterium die „Bewertung des Studiums durch den Berufsverband“.
Ein noch hervorzuhebender Verdienst der Arbeitsgruppe Bewegungstherapie der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW), der Vertreter des DVGS angehören, ist die Aufnahme der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz [8] in die Therapieziele und damit die Stärkung der Rolle von nachhaltiger Verhaltensänderung.

Ein Wunsch für die Zukunft ist die Anwendung des ICF-Ansatzes bei der strukturellen Unterteilung der einzelnen therapeutischen Leistungen durchgängig in allen Kapiteln. So strukturiert sich beispielsweise das Kapitel A im Wesentlichen nach den motorischen Hauptbeanspruchungsformen, während im Kapitel B eher die Gesundheitsstörung die Differenzierung der therapeutischen Leistungen bestimmt.

Mit Blick auf die vorherige KTL-Neuauflage ist insgesamt durchaus Anlass zum Optimismus gegeben. Im Jahr 2008 ließ sich nach den ersten Erfahrungen mit der damaligen KTL 2007 [2] der Schluss ziehen, dass sich z. B. Fehler im Dokumentationsverhalten reduziert haben. Für Rentenversicherung und Wissenschaft boten sich neue Möglichkeiten von Bewertung und statistischer Bearbeitung [6].
Während allerdings oben geschrieben wurde, dass die KTL u.a. der Beschreibung des Leistungsgeschehens dient, so kann sie doch Eines nicht leisten: Eine genaue Erforschung des inhaltlichen Geschehens in der Routine der Rehabilitation (Welche Konzepte gibt es, welche Ziele sind den Therapeuten wichtig und mit welchen Inhalten und Methoden werden diese in der Praxis angesteuert). In einem aktuellen Forschungsvorhaben wird dies für die Bewegungstherapie von Sportwissenschaftlern aus Erlangen und Tübingen untersucht.

Weitere Informationen zu der KTL generell und der neuen Auflage im Speziellen finden sich hier: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/3_Infos_fuer_Experten/01_Sozialmedizin_Forschung/02_reha_qualitaetssicherung/ktl_node.html.

(sp)

1. Bitzer, E.M., Dörning, H., Beckmann, U., Sommhammer, B., Zander, J. & Klosterhuis, H. (2006). RVaktuell, 09/10/06, 398-406.
2. Deutsche Rentenversicherung Bund (2007). KTL. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Ausgabe 2007. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.
3. Deutsche Rentenversicherung Bund (2010). Reha-Therapiestandards Koronare Herzkrankheit. Leitlinie für die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.
4. Brüggemann, S., Winnefeld, M. & Volke, E. (2008). Analyse der KTL-Daten von Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen: Welche Leistungen werden zusätzlich zu den evidenzbasierten Therapiemodulen durchgeführt? DRV-Schriften, 77, 37-40.
5. Brüggemann, S. & Sewöster, D. (2010). Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Bewegungstherapie & Gesundheitssport, 26, 266-269.
6. Zander, J., Sommhammer, B., Teßmann, W. & Grünbeck, P. (2008). Verbessert die neue Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL 2007) die Dokumentation der Rehabilitation? DRV-Schriften, 77, 152-153.
7. Deutsche Rentenversicherung Bund (2014). KTL. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Ausgabe 2015. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.
8. Pfeifer, K., Sudeck, G., Geidl, W. & Tallner, A. (2013). Bewegungsförderung und Sport in der Neurologie – Kompetenzorientierung und Nachhaltigkeit. Neurologie und Rehabilitation, 19(1), 7-19.